TSV Besuch des Justizpalastes in München am 15. November 2018

Für unseren Sportsfreund Helmut R. ist der Münchner Justizpalast eine zweite Heimat. Nachdem er lange Jahre hier gearbeitet hat und kürzlich in den Ruhestand gegangen ist, hat er im Rahmen unserer Kulturveranstaltungen eine Führung durch den Justizpalast übernommen.12 neugierige Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben dieses Angebot mit allergrößtem Interesse angenommen und so stehen wir nun im kaltem Novemberwetter vor der Südseite des eindrucksvollen Gebäudes in München in der Prielmayerstraße 7.

Die Führung von Helmut hat das Thema „Von der Vergangenheit und den Ursprüngen in die Gegenwart“. Der Münchner Justizpalast ist einer der prachtvollsten Bauten, die in Deutschland je für die Dritte Gewalt geschaffen wurden. Kunsthistorisch ist der Justizpalast einer der reifsten Bauten des ausgehenden Historismus und zählt trotz seiner starken Beschädigungen während des zweiten Weltkrieges auch heute noch zu den architektonischen Perlen unter den öffentlichen Gebäuden in München. Untergebracht im Justizpalast sind heute das Bayerische Staatsministerium der Justiz und Teile des Landgerichts München I.

Zur Baugeschichte des Justizpalastes berichtet uns Helmut: Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Gerichte und Justizbehörden in München über die ganze Stadt verteilt, wobei einige Gerichte und das Justizministerium äußerst beengt im ehemaligen Augustinerkloster in der Neuhauser Straße untergebracht waren. Die Unterbringungssituation wurde als unwürdig für die Haupt- und Residenzstadt München beschrieben, so dass vom Landtag der Bau eines neuen Justizgebäudes beschlossen wurde. Nach einer langwierigen Standortsuche wurde im Jahr 1886 mit dem nach Herzog Clemens Franz de Paula benannten Herzoggarten vor dem Karlstor ein idealer Bauplatz in zentraler Lage zwischen Hauptbahnhof und Karlsplatz für ein neues Justizgebäude gefunden. Der Bauplatz grenzte im Norden an den Botanischen Garten mit dem im Jahr 1854 fertiggestellten Glaspalast von August von Voit.

Am 16. Februar 1887 beauftragte Prinzregent Luitpold den Architekten Friedrich von Thiersch (1852 – 1921) mit dem Bau des Justizgebäudes. Thiersch war Professor an der Königlich Technischen Hochschule in München und als Garant für einen anspruchsvollen und künstlerisch hochwertigen Bau ausgewählt worden. Mit dem Aushub der Baugrube begann man im Frühjahr 1891 und bereits im Dezember 1894 konnte auf dem Scheitel der Kuppel das Richtfest stattfinden. Am 10. Mai 1897 erfolgte die Einweihung des Justizpalastes durch Prinzregent Luitpold und Justizminister von Leonrod.

Der Justizpalast war ursprünglich für nahezu die gesamte Münchner Justiz konzipiert, nämlich ein Amtsgericht, zwei Landgerichte und ein Oberlandesgericht, sowie das Justizministerium als oberste Justizverwaltungsbehörde. Errichtet wurde das Gebäude im Stil des Neubarock, dem repräsentativen Baustil der damaligen Zeit. Der Justizpalast ist 138 Meter lang, 80 Meter tief und hat eine Höhe von 66 Metern einschließlich der Laterne auf der gläsernen Lichtkuppel. Mittelpunkt des Gebäudes, das um zwei Innenhöfe gruppiert wurde, ist die repräsentative Zentralhalle mit einer Größe von 19 × 29 Metern.
Die vier Fassaden des freistehenden Baus sind unterschiedlich ausgeprägt, haben jedoch mit dem Granitsockel als Unterbau und der Kolossalordnung von Pilastern beziehungsweise Säulen an den Mittel- und Eckrisaliten Gemeinsamkeiten im Aufbau (als Risalit bezeichnet man einen zumeist auf ganzer Höhe aus der Fluchtlinie eines Baukörpers hervorspringenden Gebäudeteil). Die drei Obergeschosse sind durch Fensterumrahmungen und Giebel geschmückt, wobei das zweite Obergeschoss am meisten betont wird. An der Nordfassade mit dem ehemaligen Haupteingang springen der Ost- und der Westflügel als Eckrisalite und der Mittelbau vor. Sechs Säulen mit korinthischen Kapitellen gliedern hier das obere Geschoss. Die Längsfronten und Eckrisalite der Südfassade sind wie bei der Nordfassade gestaltet, der Mittelrisalit tritt jedoch weniger vor und ist durch Pilaster (Wandpfeiler) gegliedert. Im Erdgeschoss ist dem mittleren Eingangsportal ein offener Vorbau vorgelagert, der einst als Unterfahrt für Kutschen diente und heute der Haupteingang zum Gebäude ist. Im ersten Geschoss dient der Vorbau als Balkon. Die drei mittleren Achsen des Risalits werden von einem Giebel mit dem bayerischen Wappen bekrönt. Auf dem Giebel stehen die Figuren der Justitia, flankiert von Unschuld und Laster. Die Ostfassade ist durch den Mittelrisalit mit konvexem Vorbau und Obelisken an allen vier Eckpunkten stark ausgeprägt.

Bereits wenige Jahre nach der Fertigstellung des Justizpalastes war das Gebäude trotz seiner gewaltigen Ausmaße zu klein geworden, was mit dem weiteren Bevölkerungswachstum und der Verrechtlichung der Gesellschaft zusammenhing. Daher wurde Thiersch im Jahr 1902 beauftragt, ein zweites Justizgebäude westlich des Justizpalastes zu errichten. Das „Neue Justizgebäude“, das im Jahr 1905 fertiggestellt wurde, zeigt sich in einem gänzlich anderen Stil als der acht Jahre zuvor fertiggestellte Justizpalast. Das Neue Justizgebäude wurde in den Formen bayerischer Backsteingotik mit zwei Uhrtürmen errichtet. Untergebracht sind hier heute hier der Bayerische Verfassungsgerichtshof und das Oberlandesgericht München.

Bei den Luftangriffen im Dezember 1944 und Januar 1945 erlitt der Justizpalast erhebliche Beschädigungen, die in der Nachkriegszeit nach und nach behoben wurden. Die reich gegliederten Fassaden wurden wieder in Stand gesetzt. Ebenso wurden der zum Teil vollständig zerstörte Skulpturenschmuck und die Glaskuppel mit der Laterne erneuert. Die zerstörte Bibliothek und der Schwurgerichtssaal wurden im Rahmen des Wiederaufbaus neugestaltet.

Nach der Exkursion zur Baugeschichte zeigt uns Helmut beim Rundgang durch das Gebäude neben dem ehemaligen Schwurgerichtssaal und dem ehemaligen Repräsentationssaal auch den Saal 253, der heute als Gedenkstätte eingerichtet ist. Am 22. Februar 1943 und 19. April 1943 fanden im Schwurgerichtssaal sowie im Sitzungssaal 253 vor dem Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler die Prozesse gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ statt. Die Dauerausstellung Willkür „Im Namen des Deutschen Volkes“ – Der Prozess gegen die Widerstandsgruppe Weiße Rose – im Saal 253 soll an die Prozesse erinnern. Konzipiert wurde die Ausstellung vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der Weißen Rose Stiftung e.V. Neben den Lichtbildern der insgesamt 17 Angeklagten aus beiden Prozessen, darunter die zum Tode verurteilten Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Prof. Kurt Huber, Alexander Schmorell und Willi Graf, und den Kopien einiger Originaldokumente vermittelt insbesondere die Authentizität des Ortes einen bleibenden Eindruck von der Justizwillkür des Dritten Reiches.

1962 war der Justizpalast Schauplatz des aufsehenerregenden Indizienprozesses gegen Vera Brühne. Seit dem Bezug des neuen Strafjustizzentrums in der Nymphenburger Straße Ende der 70er Jahre finden im Justizpalast nunmehr kaum noch Strafprozesse statt. Ausnahmsweise fand im März 2014 im Justizpalast noch der Strafprozess gegen Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II statt. Zwar ist in München für alle Hauptverhandlungen in Strafsachen das Gebäude des Strafjustizzentrums in der Nymphenburger Straße vorgesehen. Der größte Gerichtssaal dort (Saal 101) war jedoch zu diesem Zeitpunkt mit dem NSU-Strafprozess gegen Beate Zschäpe belegt. Wegen des erwarteten Ansturms von Presse- und TV-Journalisten entschied man sich, die Hauptverhandlung gegen Uli Hoeneß ausnahmsweise im Justizpalast durchzuführen.
Abschließend bekommen wir noch Gelegenheit, die sich über 2 Stockwerke erstreckende und beeindruckende Bibliothek im Justizpalast zu bewundern, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Aber Dank Helmut ist die Besichtigung für uns möglich. Sein Kollege und Bibliotheksleiter gibt noch zahlreiche Erläuterungen bevor wir uns dann nach über zweistündigem Aufenthalt verabschieden.
Lieber Helmut, Deine Führung durch den Justizpalast war eine sehr interessante und lehrreiche Erfahrung für uns alle.
Erlaube mir noch einen Traum: Wir stehen an Sylvester oben in der Laterne und schauen mit einem Glas Champagner begeistert dem Münchner Sylvesterfeuerwerk zu.

Helmut R. und Günter A.

 

 

 

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